Die Verpflichtung des Handelsvertreters, sich ständig um die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften für den Unternehmer zu bemühen, muss nicht förmlich und nicht ausdrücklich niedergelegt sein, sie kann sich auch aus einer tatsächlichen Handhabung zu einer Rechtspflicht entwickeln. Hiervon kann in der Regel ausgegangen werden, wenn der Vertrag von den Parteien tatsächlich durchgeführt wird. Maßgebend ist das Gesamtbild der tatsächlichen Handhabung, wobei alle Umstände des Einzelfalls heranzuziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind. Das Merkmal „ständig“ bedeutet nicht langfristig oder auf unbestimmte Zeit, genügend ist vielmehr die Betrauung für eine  gewisse Zeit, wobei entscheidend das Bemühen um eine unbestimmte Vielzahl von Abschlüssen ist.

Urteil des LG Ravensburg vom 7.8.2015 –  Aktz.8 O 29/09 KfH 2

Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen (§ 84 Abs. 1 HGB). Die Verpflichtung des Handelsvertreters, sich ständig um die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften für den Unternehmer zu bemühen, muss nicht förmlich und nicht ausdrücklich niedergelegt sein, sie kann sich auch aus einer tatsächlichen Handhabung zu einer Rechtspflicht entwickeln. Hiervon kann in der Regel ausgegangen werden, wenn der Vertrag von den Parteien tatsächlich durchgeführt wird. Maßgebend ist das Gesamtbild der tatsächlichen Handhabung, wobei alle Umstände des Einzelfalls heranzuziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind. Das Gesamtbild der tatsächlichen Handhabung ergibt im vorliegenden Fall, dass ein Handelsvertreterverhältnis vorlag.

Unstreitig haben die Parteien vereinbart, dass die Klägerin den Verkauf von Artikeln der Marke „X.“ an den Großkunden R. GmbH vermitteln und dafür eine Provision von 50 % des Deckungsbeitrags II erhalten sollte. Damit bestand Einigkeit über den wesentlichen Vertragsinhalt, nämlich einerseits die Provisionshöhe und andererseits die Aufgabe, Aufträge der R. GmbH bezüglich Produkten der Marke „X.“ zu vermitteln.

Die Tatsache, dass es sich nur um einen einzigen Kunden handelte, steht der Annahme eines Handelsvertreterverhältnisses nicht entgegen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob es Aufgabe der Klägerin auch gewesen ist, der Beklagten noch weitere Kunden zu vermitteln. Entscheidend für die Abgrenzung der Handelsvertreter- zur Maklertätigkeit ist, dass diese auf ein bestimmtes Objekt bezogen ist, während der Handelsvertreter den Umsatz mit immer wieder neu produzierten Objekten vermitteln soll. Vorliegend war Letzteres der Fall, denn die Produkte waren größtenteils nicht bei der Beklagten vorrätig, sondern mussten erst noch nach den Vorgaben der Beklagten bei Drittunternehmen produziert werden.

Auch die Vereinbarung der Provisionshöhe nicht als Prozentsatz des Verkaufspreises, sondern als Prozentsatz des Deckungsbeitrags II ist nicht ungebräuchlich für ein Handelsvertreterverhältnis. Gerade wenn, wie im vorliegenden Fall, die Einkaufs- und Verkaufspreise und der Aufwand des Unternehmers am Anfang der Vertragsbeziehung nicht feststehen und damit unklar ist, welcher Erlös am Schluss verteilt werden kann, ist eine derartige Vereinbarung naheliegend. Auch ist – zumindest im vorliegenden Fall – die mit dieser Berechnungsmethode ermittelte Erlösbeteiligung nicht ungewöhnlich hoch.

Es hat sich auch nicht nur um eine Gelegenheitsvermittlung gehandelt, sondern um eine ständige Beauftragung. Das Merkmal „ständig“ in § 84 HGB bedeutet nicht langfristig oder auf unbestimmte Zeit, genügend ist vielmehr die Betrauung auf gewisse Zeit, wobei entscheidend das Bemühen um eine unbestimmte Vielzahl von Abschlüssen ist. Dass das Bemühen der Klägerin auf eine unbestimmte Vielzahl von Abschlüssen gerichtet sein sollte, ergibt sich aus folgenden Umständen:

Bei seiner informatorischen Befragung hat der Beklagte eingeräumt, dass es der Beklagten darum gegangen sei, dass von der Klägerin möglichst viele Aufträge akquiriert werden und von der Beklagten durchgeführt werden sollten.

Hätte es sich um eine Gelegenheitsvermittlung gehandelt, so wäre zu erwarten gewesen, dass bei jedem einzelnen Vorabauftrag des Kunden R. GmbH wieder neu über die Provisionierung zwischen der Beklagten und der Klägerin verhandelt hat. So haben es die Vertragsparteien aber nicht gehandhabt. Vielmehr sind nach dem ersten Vorabauftrag laufend weitere Vorabaufträge erteilt worden, und anfangs wurden auch alle auf Grund dieser Aufträge erzielten Umsätze nach dem gleichen Schema anstandslos vergütet.

Gegen eine Gelegenheitsvermittlung spricht auch das vermittelte Auftragsvolumen. Der BGH hat beispielsweise zum Fall einer Vermittlung von Geschäften mit einem Auftragsvolumen von mehr als 3 Mio. DM und einer Provision von 150.000,– DM über einen Zeitraum von vier Jahren ausgeführt, dass sich dies schwer mit einer Einstufung als Gelegenheitsagent vereinbaren ließe.

Zwar hat es sich im vorliegenden Fall insgesamt nur um vier Aufträge gehandelt, die die Klägerin bis zur Kündigung vermittelt hat. Dies waren jedoch Sammelbestellungen, in denen Einzelaufträge mit einer Vielzahl von Artikeln gebündelt wurden.

Selbst wenn man unterstellt, dass beim ersten kleineren Auftrag im Jahr 2007 noch eine Gelegenheitsvermittlung angestrebt wurde und die Beklagte sich nicht dauerhaft verpflichten wollte, hatte sich die Geschäftsbeziehung in der Folgezeit mit Erteilung von weiteren drei großen Aufträgen so verfestigt, dass eine auf Dauer angelegten beiderseitigen Bindung vorlag, wobei das Ziel verfolgt wurde, weitere Aufträge der Großkundin Fa. R. GmbH zu erhalten.

Für das von der Klägerin geschuldete Bemühen spricht weiter, dass diese eine umfangreiche unterstützende Tätigkeit entfaltet hat. Beispielsweise hat ein damaliger Mitarbeiter der Klägerin an einer Besprechung zwischen der Beklagten und der Einkaufsorganisation der Kundin R., nämlich der M.B. teilgenommen, bei der verschiedene Punkte, auch die Entwicklung weiterer Produkte, besprochen wurden, sowie an einer Besprechung der Beklagten mit der Fa. D., bei der es um die Lizenzstrategie ging und er damit beauftragt wurde, einen Vorschlag zur Änderung der bisherigen Lizenzstrategie zu machen. Außerdem hat die Klägerin unstreitig auch bei der Abwicklung der Aufträge assistiert, etwa im Auftrag der Beklagten Preise der für einen Auftrag in Betracht kommenden Unterlieferanten abgefragt.

Wäre die Klägerin nur zu punktuellen Tätigkeiten zur Vermittlung einzelner Aufträge verpflichtet gewesen, so wäre zu erwarten gewesen, dass solche vorbereitenden oder nachbereitenden Tätigkeiten von der Klägerin der Beklagten gesondert in Rechnung gestellt worden wären.

Die von der Klägerin entfaltete unterstützende Tätigkeit spricht auch nicht deshalb gegen eine Einstufung als Handelsvertreter, weil sie nicht zum Kernbereich der Auftragsvermittlung im engeren Sinne gehört. Denn die Tätigkeit des Handelsvertreters setzt nicht die Erbringung von Diensten höherer Art voraus. Es kommt lediglich darauf an, ob die Tätigkeit des Handelsvertreters mitursächlich für den Abschluss des vermittelten Geschäfts geworden ist. Das war hier aber der Fall.

Ein gewisses Indiz gegen das Vorliegen eines Handelsvertretervertrages ist zwar, dass bezüglich der Produkte der Marke „X.“ kein schriftlicher Handelsvertretervertrag“ geschlossen wurde, während dies bei der Marke „W.“ der Fall war. Die Klägerin konnte ihre Behauptung, dass der schriftliche Vertrag bezüglich der Marke „W.“ nur deshalb aufgesetzt wurde, weil der an dem Geschäft beteiligte Zeuge R. auf einen schriftlichen Vertrag Wert legte, nicht nachweisen, denn der Zeuge R. hat diese Behauptung nicht bestätigt.

Andererseits ist die fehlende schriftliche Fixierung nur ein schwaches Indiz. Denn der Beklagten ist der Nachweis für ihre Behauptung, dass bei Beginn der Zusammenarbeit der Abschluss eines schriftlichen Handelsvertretervertrags bezüglich der Vermittlung von Produkten der Marke „X.“ ausdrücklich diskutiert und von ihr abgelehnt worden sein soll, nicht gelungen.

Das Gesamtbild der Geschäftsbeziehung ergibt im vorliegenden Fall, dass die Fa. L. KG als Handelsvertreterin und nicht als Gelegenheitsvermittlerin, Handelsmaklerin oder auf Grund einer Vereinbarung sui generis tätig werden sollte. Vielmehr liegt das klassische Bild eines Handelsvertretervertrages vor, wenn auch mit gewissen Besonderheiten, dass nämlich nur Bestellungen eines Großkunden vermittelt werden sollten, dass die Vergütung vom Deckungsbeitrag II abhängig sein sollte und dass die Fa. L. KG nicht ausschließlich vermittelnd sondern darüber hinaus auch unterstützend tätig wurde.

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