Ein sog. Kommissionsagent, der wie ein Kommissionär im eigenen Namen und für fremde Rechnung verkauft, aber wie ein Handelsvertreter mit dieser Verkaufstätigkeit „ständig betraut“ ist, hat keinen Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 1 HGB, wenn die vertragliche Verpflichtung des Agenten fehlt, dem Hersteller oder Lieferanten nach Vertragsende seinen Kundenstamm so zu übertragen, dass dieser sich diesen bei Vertragsende sofort und ohne Weiteres nutzbar machen kann. Hieran fehlt insbesondere dann, wenn der Betrieb eines Mono-Shops für Schuhe mangels Zugriffs des Herstellers bzw. Lieferanten auf die Räumlichkeiten nicht fortgesetzt werden kann und der vorherige Kommissionsagent den Shop dort mit vergleichbaren Waren weiter auf eigene Rechnung betreibt.

 Urteil des OLG Frankfurt vom 10. Juni 2020 – Aktz. 6 U 46/18

Die Richter des 6. Senates des OLG Frankfurt stellten in diesem Verfahren u.a. fest, dass der Beklagten, die als Kommissionsagentin tätig gewesen sei, zu Recht vom Landgericht ein Anspruch auf Handelsvertreterausgleich verwehrt worden sei.

Der Beklagten stehe kein Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung von § 89b Abs. 1 HGB zu, da keine Verpflichtung der Beklagten bestand, der Klägerin ihren Kundenstamm durch Übermittlung der Kundendaten so zu übertragen, dass sich diese bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne Weiteres hätte nutzbar machen können.

Der Kommissionsagent sei eine Mischung zwischen Kommissionär und Handelsvertreter. Er grenze sich vom gewöhnlichen Kommissionär dadurch ab, dass er – wie ein Handelsvertreter – mit dieser Verkaufstätigkeit ständig betraut sein muss (vgl. § 84 Abs. 1 HGB). Das Innenverhältnis zwischen Hersteller und Agent sei dabei kaum anders als bei einem Handelsvertreter. Dass Außenverhältnis sei indes ein anderes als bei der Handelsvertretung: Der Kommissionär verkaufe nämlich Waren im eigenen Namen und auf Rechnung des Herstellers. Das bedeute, nach außen trete der Kommissionsagent wie ein Zwischenhändler auf, obwohl er dies nicht sei. Auf diese Weise gewinne der Unternehmer einen ständigen Absatzmittler und müsse nicht selbst in direkte Vertragsbeziehungen mit dem Kunden treten.

Die Abgrenzung zum Handelsvertretervertrag falle in dem zu entscheidenden Sachverhalt  leicht, da die Beklagte nach der maßgeblichen vertraglichen Vereinbarung nach außen hin im eigenen Namen auftreten sollte. Dass sie das zunächst nicht deutlich erkennbar gemacht habe (Quittungen), stehe dem nicht entgegen, da es entscheidend auf die vertragliche Absprache der Parteien ankomme. Aus dieser ergebe sich an keiner Stelle, dass die Beklagte bevollmächtigt gewesen sein sollte, für die Klägerin als Vertreterin aufzutreten (§ 164 Abs. 1 BGB).

Die Gesamtbetrachtung der vertraglichen Absprachen der Parteien ergebe, dass die Beklagte als Kommissionsagentin tätig war. Entscheidend komme es hier auf die ständige Betrauung und Verpflichtung zum dauerhaften Arbeitseinsatz mit der gesamten Arbeitskraft an. Aus der Vertragsurkunde ergeben sich zwar keine Anhaltspunkte; diese enthalte nur rudimentäre Regelungen. Aus der Vorgeschichte und der Vertragsdurchführung ergeben sich jedoch Indizien. So sei unstreitig, dass die Klägerin zuvor Eigentümerin des Ladens war und die Beklagte – nachdem die Klägerin es aufgeben wollte – den Geschäftsbetrieb übernommen und an anderen Standort weitergeführt hatte. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Laden nach außen wie in Filiale der Klägerin aufgetragen gewesen sei – es wurden nur „X“-Produkte verkauft. Hinzu komme, dass später die Abwicklung des unbaren Zahlungsverkehrs durch ein von der Klägerin gestellte EC-Kartengerät erfolgte, so dass die Klägerin dann Überblick über einen Teil des Umsatzes hatte. Auch die tägliche Abrechnung der Kassenumsätze und die Einzahlung auf das Konto der Klägerin sprechen hierfür. Zudem habe die Klägerin offensichtlich Kontrollen im Ladengeschäft vorgenommen und Verbesserungen angemahnt. Auch in der Preisgestaltung sei die Beklagte nicht frei gewesen; die Preise seien vielmehr von der Klägerin vorgegeben worden. Die Beklagte war überdies auch zur Nutzung der Marke als Kennzeichnung für Ihr Geschäft berechtigt. Dem hätte die Klägerin sicherlich nicht zugestimmt, wenn nicht klar gewesen wäre, dass die Beklagte im Gegenzug verpflichtet war, den Absatz der klägerischen Produkte nach Kräften zu fördern.

Der Beklagten stehe jedoch trotz ihrer Funktion als Kommissionsagentin kein Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 1 HGB zu.

Grundsätzlich kann § 89b HGB auf andere im Vertrieb tätige Personen entsprechend anwendbar sein. Dies ist insbesondere für Vertragshändler entschieden, die im eigenen Namen und auf eigene Rechnung kontrahieren und mit dem Hersteller einen Bezugsvertrag mit einer Bindung ähnlich einem Handelsvertretervertrag abschließen. Die auf Handelsvertreter zugeschnittene Bestimmung des § 89b HGB ist auf Vertragshändler entsprechend anzuwenden, wenn sich das Rechtsverhältnis zwischen dem Vertragshändler und dem Hersteller oder Lieferanten nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern der Vertragshändler in der Weise in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert war, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat, und der Vertragshändler außerdem verpflichtet ist, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne Weiteres nutzbar machen kann. Dabei muss sich die Verpflichtung des Vertragshändlers zur Übertragung des Kundenstamms nicht ausdrücklich und unmittelbar aus dem schriftlichen Händlervertrag ergeben; sie kann auch aus anderen, dem Vertragshändler auferlegten Pflichten folgen.

Auf das zwischen einem Kommissionsagenten und einem Kommittenten bestehende Rechtsverhältnis kann § 89b HGB entsprechend angewendet werden. Zu begründen ist dies im Wesentlichen damit, dass die analoge Anwendung des § 89b HGB beim Kommissionsagenten noch eher geboten ist als beim Vertragshändler. Diese Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamms ergibt sich für Kommissionäre grundsätzlich aus § 384 Abs. 2 HGB. Danach hat der Kommissionär dem Kommittenten die erforderlichen Nachrichten zu geben, insbesondere von der Ausführung der Kommission unverzüglich Anzeige zu machen (§ 384 Abs. 2 Hs. 1 HGB), wobei zu der Ausführungsanzeige die Benennung des Namens des Dritten gehört, an den der Kommissionär die Kommissionsware veräußert hat. Weiter ist der Kommissionär verpflichtet, dem Kommittenten über das Geschäft Rechenschaft abzulegen und ihm dasjenige herauszugeben, was er aus der Geschäftsbesorgung erhalten hat (§ 384 Abs. 2 Hs. 2 HGB). Da es Aufgabe des Kommissionsagenten ist, ähnlich wie ein Handelsvertreter für den Unternehmer einen Kundenstamm zu werben, liegt in dem Kundenstamm dasjenige, was er bei der Geschäftsbesorgung erlangt hat. Beim Kommissionsagenten fällt damit – wie beim Handelsvertreter – der Kundenstamm bei Vertragsende schon kraft der gesetzlichen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses dem Lieferanten zu, ohne dass es einer besonderen vertraglichen Verpflichtung zu seiner Überlassung bedarf.

Diese Pflicht sei auch nicht abgedungen worden. Zwar könne die in § 384 Abs. 2 HGB normierte Pflicht zur Namhaftmachung des Dritten, mit dem der Kommissionär kontrahiert hat, modifiziert oder abbedungen werden. Der BGH habe hierfür allerdings den Umstand, dass der Betrieb eines Sonderpostenmarkts ein anonymes Massengeschäft ist, nicht ausreichen lassen, um den Schluss auf eine konkludente Abbedingung der Pflicht des Kommissionsagenten zur Überlassung des Kundenstamms nach Vertragsende zu rechtfertigen. Ebenso reiche der Umstand, dass der Betrieb eines Schuhladens überwiegend anonymisiert abläuft, auch nicht aus, um in dieser Hinsicht eine  konkludente Modifikation des Vertrags anzunehmen.

Im BGH-Fall war der bisher von der Kommissionärin geleitete Sonderpostenmarkt unter derselben Geschäftsbezeichnung in den von der Unternehmerin gemieteten Geschäftsräumen weitergeführt worden. Bei einer derartigen Sachlage war von einer faktischen Kontinuität des Kundenstamms auszugehen. Hinzu kam, dass die Kommissionärin verpflichtet war, das vorinstallierte Kassensystem zu nutzen, wodurch die Beklagte ständigen Zugriff auf Informationen zu allen Verkaufsvorgängen und auf sämtliche von den Kunden im Rahmen des Bezahlvorgangs mitgeteilten personenbezogenen Daten hatte.

In der Gesamtschau war nach Auffassung des Senats eine derartige Verpflichtung im hier entschiedenen Sachverhalt indes abzulehnen. Hervorzuheben sei, dass das Ladengeschäft nicht der Klägerin gehört habe, so dass für sie von vorneherein die Möglichkeit, den Betrieb nach Beendigung des Kommissionsagenturverhältnisses unter derselben Geschäftsbezeichnung weiterzuführen, erheblich eingeschränkt gewesen sei, nachdem die Beklagte das Ladengeschäfts auch nach Beendigung des Kommissionsagenturvertrages weiterführen konnte, was sie auch getan habe. Nach Auffassung des Senats sei dies der ganz entscheidende Unterschied zur BGH-Entscheidung „Sonderpostenmarkt“, in der die Kommittentin als Eigentümerin des Gebäudes das Ladengeschäft unmittelbar weiterführen konnte. Diesen wirtschaftlichen Vorteil sollte der Anspruch nach § 89b Abs. 1 HGB dann auch im Kommissionsagenturverhältnis ausgleichen. Die Klägerin hätte faktisch indes gar nicht die Möglichkeit gehabt, den Kundenstamm zu übernehmen, weil sie auf den Standort keinen Zugriff hatte.

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