Urteile des Monats

Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers auch ohne Pflicht zur Kundendatenübertragung

Für die Anwendung des Ausgleichsanspruches gemäß § 89b HGB auf Vertragshändler ist einzig und alleine im Sinne einer Analogie maßgeblich, ob der Unternehmer einen Unternehmervorteil aus der Geschäftsbeziehung mit dem Vertragshändler gezogen hat. Denn es soll über die gezahlten „Provisionen“ hinaus ein Ausgleich dafür vom Unternehmer geschuldet sein, dass er aus den Geschäftsbeziehungen mit Kunden, die der Vertragshändler beigebracht hat, einen „Goodwill“ d.h. eine begründete Gewinnerwartung hat. Auf eine vertragliche Verpflichtung des Vertragshändlers zur Übertragung der Kundendaten an den Unternehmer bei Vertragsende kommt es insoweit nicht an.
Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 27. November 2018 – Aktz. 2 HK O 10103/12

2022-12-12T13:18:34+01:0009.04.2019|

Zulässige Modalitäten einer Handelsvertretertätigkeit

Wird die Eigenschaft als selbstständiger Gewerbetreibender nicht beeinträchtigt, kann die Tätigkeit als Handelsvertreter auch von den Geschäftsräumen des vertretenen Unternehmers aus verrichtet werden. Die Bestimmungen der Handelsvertreterrichtlinie (EU-Richtlinie 86/653) machen die Einstufung als Handelsvertreter nicht davon abhängig, dass der Betreffende seine wirtschaftliche Tätigkeit außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers ausübt. Das mit der Richtlinie verfolgte Ziel des Schutzes des Handelsvertreters darf nicht von zusätzlichen Voraussetzungen wie solchen in Bezug auf die Modalitäten der Ausübung der Tätigkeit abhängig gemacht werden. Auch die Wahrnehmung anderer Tätigkeiten für ein und denselben Unternehmer als die, die mit der Vermittlung des Verkaufs oder des Ankaufs von Waren für den Unternehmer in Zusammenhang stehen, hindert nicht an der Einstufung als Handelsvertreter im Sinne der Richtlinie. Diese weiteren Tätigkeiten können vom Umfang her auch gleich gewichtig sein und müssen nicht nur nebenberuflich ausgeübt werden.
Urteil des EuGH vom 21. November 2018 - Aktz. C -452/17

2019-05-27T12:26:08+02:0012.03.2019|

Nichtigkeit eines Franchisevertrages bei übermäßiger Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Franchisenehmers

Ein Franchisevertrag kann insgesamt wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wenn wegen einer Vielzahl der den Franchisegeber einseitig begünstigenden und den Franchisenehmer benachteiligenden Bestimmungen der Franchisenehmer übermäßig in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit beeinträchtigt und ihm hierfür kein auch nur annähernd angemessener Ausgleich gewährt wird. Hierfür ist eine Gesamtwürdigung der vertraglichen Vereinbarung und der zum Vertragsschluss führenden Umstände erforderlich. Die arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften betreffend Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer finden unabhängig von einer möglichen Umgehungsabsicht der Vertragspartner beim Abschluss eines privatrechtlichen Vertrags Anwendung, wenn die in ihnen niedergelegten Voraussetzungen erfüllt sind, und führen jedoch nicht zur Nichtigkeit eines Franchise- bzw. Lizenznehmervertrages gemäß § 134 BGB.
Urteil des BGH vom 11. Oktober 2018 – Aktz. VII ZR 298/17

2019-05-27T11:08:37+02:0005.02.2019|

Bilanzierung von Provisionsvorschüssen

Solange der Provisionsanspruch des Handelsvertreters noch unter der aufschiebenden Bedingung der Ausführung des Geschäfts steht, ist er nicht zu aktivieren. Es fehlt an einer Gewinnrealisierung. Denn erst durch die Ausführung des vermittelten Geschäftes wird der Gewinn durch die Entstehung des Provisionsanspruches realisiert. Solange der Provisionsanspruch noch dieser aufschiebenden Bedingung unterliegt, kann er nicht aktiviert werden. Derartige Provisionsvorschüsse sind daher beim Empfänger als „erhaltene Anzahlungen“ zu passivieren. Darin kommt die Verpflichtung zum Ausdruck, die Beträge bei Nichtausführung des Geschäftes zurückzahlen zu müssen. Auch Aufwendungen, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Provisionsvorschüssen stehen, sind nicht als "unfertige Leistung" zu aktivieren, da kein Wirtschaftsgut/Vermögensgegenstand entstanden ist.
Urteil des Bundesfinanzhofes BFH vom 26.04.2018 – Aktz. III R 5/16

2019-05-27T11:07:57+02:0012.12.2018|

Angabe des Gegenstandes für eingeklagten Buchauszug

Das Zulässigkeitserfordernis der Angabe des Gegenstandes eines erhobenen Buchauszugsanspruchs (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ist (bereits) erfüllt, wenn der Geschäftsbereich und der Zeitraum, in Bezug auf den die Informationen verlangt werden, bezeichnet ist. Eine inhaltliche Konkretisierung derjenigen Informationen, die mit dem Antrag auf Buchauszug verlangt werden, ist dazu nicht erforderlich (wie Emde, Vertriebsrecht, 2. Aufl., § 87c Rn 204). Sie kann jedoch aus anderen Gründen geboten sein. Begehrt der Handelsvertreter im Rahmen seines Buchauszugsanspruchs im Einzelnen bezeichnete Informationen, trägt er die Darlegungslast für deren Provisionsrelevanz.
Urteil des OLG Hamm vom 14.05.2018 – Aktz. 7 U 260/17

2019-05-27T11:06:00+02:0020.11.2018|

Qualifizierung eines Vertriebsverhältnisses als Kommissionsagenturvertrag

Betreibt ein Vertriebsmittler als rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Unternehmer, Ladenflächen auf Rechnung eines anderen Unternehmens, die von diesem angemietet werden, wobei er das Personal zu stellen und die Läden zu vorgegebenen Öffnungszeiten offen zu halten, das Kassensystem des Unternehmens und dessen Warenwirtschaftssystem zu benutzen sowie sämtliche Einnahmen auf ein Konto des anderen Unternehmens einzuzahlen hat, während er im Gegenzug eine monatliche Fixvergütung nebst Umsatzbeteiligung erhält, liegt ein sog. Kommissionsagenturverhältnis vor. Einem Kommissionsagenten kann in entsprechender Anwendung des § 87c Abs. 2 HGB im Grundsatz ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs zustehen; gleiches gilt für den Handelsvertreterausgleich entsprechend § 89b HGB.
Urteil des OLG München vom 20. Dezember 2017 – Aktz. 7 U 260/17

2019-05-27T11:09:00+02:0013.09.2018|

Ausgleichsanspruch auch bei Kündigung während vereinbarter Probezeit

Die in der Handelsvertreterrichtlinie vorgesehene Ausgleichs- und Schadensersatzregelung darf keine Sanktion für die Vertragsauflösung sein, sondern soll den Handelsvertreter für die von ihm erbrachten Leistungen, aus denen der Unternehmer über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus Vorteile zieht, oder für die Kosten und Aufwendungen, die ihm für diese Leistungen entstanden sind, entschädigen. Daher darf der Ausgleich oder Schadensersatz, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, dem Handelsvertreter nicht allein deshalb versagt werden, weil die Beendigung des Handelsvertretervertrags während der Probezeit eingetreten ist. Die in Frankreich hierzu ergangene gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung verstößt gegen die Handelsvertreterrichtlinie und ist daher aufzugeben.
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. April 2018 Aktz. C-645/16

2019-05-27T11:07:05+02:0027.06.2018|

Anscheinsbeweis für Neukundenwerbung beim Bezirksvertreter

Fällt das erste Geschäft des Unternehmers mit einem bestimmten Kunden in die Vertragszeit des als Bezirksvertreter eingesetzten Handelsvertreters, spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Tätigkeit des Handelsvertreters für die Werbung dieses Kunden mitursächlich war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Handelsvertreter auf vielfältige Art und Weise bei einem Gebietskunden zu einem Geschäftserfolg auch dann beigetragen haben kann, wenn dieses Geschäft zunächst ohne ihn angebahnt oder vorbereitet wurde. Bei einem Vertrieb ausschließlich an Großhändler ist es im Übrigen naheliegend, dass fast alle (Großhändler-) Kunden, die Produkte des vertretenen Unternehmers in ihr Sortiment aufgenommen haben, nicht nur ein einziges Mal bestellen, sondern wiederholt Geschäfte abschließen werden. Bei der weiteren Berechnung des Ausgleichsanspruches können bei der Billigkeitsprüfung zum einen die Sogwirkung einer Marke und zum anderen grundsätzlich auch Umsatzverluste des Unternehmers durch eine Konkurrenztätigkeit des Handelsvertreters nach Ende des Vertrages eine Rolle spielen.
Urteil des OLG Karlsruhe vom 14. Juli 2017 Aktz. 9 U 9/15

2024-08-15T10:19:12+02:0008.06.2018|
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